Leidy B. stammt aus Kolumbien, kam über den Bundesfreiwilligendienst nach Deutschland und meldete sich im Januar 2020 über das INTEZ-Kontaktformular mit der Frage, wie sie ein erneutes Studium in Deutschland finanzieren könne. In Kolumbien war sie Lehrerin für Englisch, aber auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist dieser Abschluss wertlos. Auch Anfragen, ob sie mit diesem Abschluss zu einem Master-Studium zugelassen werden könne, wurden abschlägig beschieden.
Zum Wintersemester 2020/21 nahm Leidy ein Studium der Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum auf und beantragte BAföG. Das BAföG-Amt reagierte auf den im Dezember 2020 gestellten Förderantrag mit der Anforderung verschiedenster Unterlagen und schließlich im Mai 2021 mit der Aufforderung, sie solle innerhalb von zwei Wochen einen „unabweisbaren Grund“ dafür nachweisen, weshalb sie ihren ursprünglichen Beruf als Lehrerin in Deutschland nicht ausüben könne. Die frisch Zugewanderte sollte dem Amt für Ausbildungsförderung das deutsche System der Zulassung zum Lehramt erklären!
Dieses Ansinnen wurde durch Einschaltung einer von INTEZ vermittelten Anwältin abgewehrt. Danach war vom BAföG-Amt lange nichts zu hören. Erst durch eine Untätigkeitsklage im August 2021 und einen Antrag auf vorläufige Leistung im Dezember 2021 konnte das Amt dazu bewegt werden, endlich den erwarteten Ablehnungbescheid zu erlassen. Das BAföG-Amt begründete seine Ablehnung folgendermaßen:
Das Grundziel des BAföG, die Schaffung der Voraussetzungen zur Ausübung eines Berufes, sei durch die in Komumbien abgeschlossene Ausbildung erreicht. Im übrigen ermögliche der Abschluss den Zugang zu einem Masterstudium, das dann förderbar sei.
Die Anwältin reagierte innerhalb weniger Tage mit einer Klage, in der sie verlangte, den Ablehnungsbescheid aufzuheben. Nach Klagebegründung und Erwiderung versandte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine sogenannte Hinweisverfügung. Um eine Gerichtsverhandlung und ein Urteil überflüssig zu machen, teilte das Gericht mit, dass Leidy nach allem, was vorgetragen worden war, wahrscheinlich einen Anspruch auf Förderung habe. Auch die wesentlichen Gründe der zu erwartenden Entscheidung wurden mitgeteilt. Dennoch bestand das BAföG-Amt, das gerade acht Monate zuvor vom gleichen Gericht in dem ganz ähnlichen Fall von Nargis P.N. zur Leistung von Ausbildungsförderung verurteilt worden war, auf einem Urteil.
Dieses Urteil kam dann am 26. Juli 2022 (VG Gelsenkirchen Az.: 15 K 3221/219). Nicht überraschend ist, dass die Begründung die gleiche ist wie im Fall von Nargis. Bis Leidy dann eine Nachzahlung für ihr erstes Studienjahr erhielt, verging nochmals mehr als ein Monat.
Leidy hat von Anfang alles richtig gemacht, hat keine Frist versäumt, und wurde schon früh in ihrem Antragsverfahren anwaltlich vertreten. Trotzdem hat es zwei Jahre gedauert, bis sie ihren BAföG-Anspruch durchsetzen konnte.