BAföG novelliert – Bildungsausländer*innen wieder vergessen

Die Ampel-Koalition will laut Koalitionsvertrag den „Grundstein für ein Jahrzehnt der Bildungschancen“ legen, unter anderem mit einem „grundlegend reformierten BAföG“. Aber bei der 27. BAföG-Novelle wurden Bildungsausländer*innen wieder vergessen.

27. BAföG-Änderungsgesetz – die wesentlichen Inhalte

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist zum 27. Mal überarbeitet worden. Die neue Fassung ist am 22. Juli 2022 in Kraft getreten. Die wesentlichen Änderungen sind:

  • Die Bundesregierung kann künftig in außergewöhnlichen Krisensituationen die Förderungshöchstdauer durch Verordnung verlängern. Damit werden die Erfahrungen der Corona-Pandemie aufgegriffen.
  • Die Einkommensfreibeträge werden um rund 20 Prozent, der Vermögensfreibetrag für Geförderte auf 45.000 Euro, die Bedarfssätze und der Kinderbetreuungszuschlag um rund 5 Prozent und der Wohnzuschlag überproportional auf 360 Euro angehoben. Damit wird das BAföG ein Stück weit an die Preis- und Einkommensentwicklung und die steigenden Mieten angepasst.
  • Die Altersgrenze bei Beginn des zu fördernden Ausbildungsabschnitts liegt künftig einheitlich, also für Bachelor- ebenso wie für Masterstudiengänge, bei 45 Jahren. Wer im Alter bis zu 45 Jahren ein Bachelor-Studium beginnt, bekommt ein unmittelbar anschließendes Masterstudium unabhängig vom mittlerweile erreichten Alter gefördert. Damit will die Bundesregierung

„besser als bisher die neuen Bildungsbiografien abbilden, die nicht mehr so einheitlich ablaufen wie früher und auch die Aufnahme eines Studiums erst in späteren Lebensabschnitten beinhalten können.“

Das hilft auch Bildungsausländer*innen, die im Herkunftsland schon studiert und gearbeitet haben. Nach dem Spracherwerb in Deutschland hatten sie die frühere Altersgrenze von 30 Jahren für ein erneutes Bachelor-Studium oft schon überschritten.

Was die Gesetzesänderung nicht gebracht hat

  • Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP war u.a. auch vereinbart worden, den Wechsel des Studienfachs zu erleichtertn. In diesem Zusammenhang hätte man auch eine Lösung für Zugewanderte mit unabgeschlossenem Studium finden können und müssen, die in Deutschland nicht im gleichen Fach weiterstudieren.
  • Seit es das BAföG gibt, versuchen die BAföG-Ämter, Antragsteller*innen mit ausländischem Hochschulabschluss von der Förderung auszuschließen. Ebenso lange halten die Verwaltungsgerichte dagegen:

Der auslälndische Abschluss schließt nur dann von der Förderung aus, wenn er dem entsprechenden inländischen Abschluss gleichwertig ist und die Aufnahme einer entsprechenden Berufstätigkeit im Bundesgebiet ermöglicht.

1992 hat der Gesetzgeber versucht, die Gerichte zu stoppen, indem in § 7 BAföG als Satz 2 eingefügt wurde:

Berufsqualifizierend ist ein Ausbildungsabschluss auch dann, wenn er im Ausland erworben wurde und dort zur Berufsausübung befähigt.

Die Gerichte haben weiterhin Wege gefunden, Betroffenen Zugang zur Förderung zu verschaffen, aber die Begründungen wurden komplizierter und voraussetzungsvoller.

Der Gesetzgeber hat es wieder versäumt, das Gesetz an die Realität einer Einwanderungsgesellschaft mit teilweisen grenzüberschreitenden Bildungsbiografien anzupassen. Dadurch werden hochqualifizierte Zuwanderinnen und Zuwanderer daran gehindert, ihre beruflichen Potenziale in Deutschland voll zu entfalten.

Was INTEZ unternommen hat

INTEZ hat seit mehreren Jahren auf diesen Missstand hingewiesen. Sowohl während der Koalitionsverhandlungen im November 2021 als auch während des Gesetzgebungsprozesses im Frühjahr 2022 haben wir Verhandlungsbeteiligte, Mitglieder des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, die Integrationsbeauftragte des Bundes sowie Verbände kontaktiert und versucht, ihnen das Problem nahezubringen. Wir erhielten wenige Antworten und erreichten leider nichts in Bezug auf das Gesetzgebungsverfahren. Jedenfalls können sich die Verantwortlichen nicht darauf berufen, dass ihnen das Problem nicht bekannt sei.

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